Sonntag, 27. April 2008

Tagesberichte 26.04. & 27.04.2088

Logbucheintrag 26.04. & 27.04.2008
Position: ....
Sternzeit: ....



Zwei Jugendliche schlugen den Wiener Politiker Gottfried Natschläger am helllichten Tag auf offener Straße nieder. Er schwebt in Lebensgefahr.
Sie attackierten den 64-Jährigen brutal mit Faustschlägen. Dabei wurde er gegen eine Auslagenscheibe geschleudert und erlitt ein Schädelhirn-Trauma. Seither schwebt er in Lebensgefahr – und dürfte wohl nicht mehr aufwachen.
Bei ihrer Einvernahme zeigten sich die Jugendlichen nicht besonders reuig. "Sie haben angegeben, dass der Tag nicht gut gelaufen sei und sie Alkohol getrunken hätten"


Am Dienstag wurde eine behinderte Frau in Margareten Opfer eines brutalen Überfalls. Die 61-Jährige wollte um 11.30 Uhr gerade in einen Aufzug steigen, als sie mit einem Faustschlag niedergestreckt und ausgeraubt wurde.

Am selben Tag wurden zwei 14-Jährige bei der U-Bahn-Station Rennbahnweg von Gleichaltrigen ausgeraubt und brutal verprügelt.

Vergangenen Sonntag versammelten sich etwa 700 Rapid Fans am Wiener Stephansplatz, um den Meistertitel zu feiern.
Zur Feier des Tages prügelten 10 Fans einen 20jährigen krankenhausreif. Die Täter konnten entkommen.
Bemerkenswert:
Als amuse gueule hatten einige im Block West des Stadions ein Transparent mit dem rätselhaften Text “Alles Gute 18″ auf den Zaun gehängt. 18 steht für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets, also für A. H.=Adolf Hitler. Es war der 20. April, sein Geburtstag.

Eine Freundin von mir, seit Jahren Fan von Austria Magna, hat Ihre Saisonkarte zurückgegeben und schaut sich die Spiele lieber im Fernsehen an. Sie geht zu keinem größeren Match mehr, da es mittlerweile wirklich fast immer zu Pöbeleien, Schlägereien etc. nach den Spielen kommt

In einem anderen Forum lese ich immer wieder Berichte von Müttern, die erzählen, dass Ihre Kinder in der Schule regelrecht fertig gemacht werden. Gemobbt, erpresst, geschlagen – von Ihren Mitschülern, Schul-Gangs.

Letztens erzählte mir ein 10jähriger, dass sich „die Liesinger und die Simmeringer am Samstag, vorne beim Libro, auf einen Battle treffen“ (????!!!!)

Generell ist mir die „Gang-Situation“ nicht unbekannt.
Ich bin in einer der großen Außenbezirksiedlungen Wiens aufgewachsen, die Anfang der 70er Jahre errichtet wurden. Ein „sozialer Brennpunkt“. In meiner Parallelklasse gabe es eine Siedlungs- & Schulbekannte Mädchen-Clique, die es speziell auf die Mädels aus meiner Klasse abgesehen hatte. Ständige Streitereien, Hänseleien usw..
Ignorieren half nicht, diskutieren auch nicht.
Aggressivität stand auf der Tagesordnung.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: sich entweder mit der Clique anfreunden, und darauf hoffen aufgenommen (und somit in Ruhe gelassen) zu werden – oder sich mit den Mädels „anlegen“ (so wie sie das sahen).
Ich legte damals keinen Wert auf neue „Freundinnen“ – und somit war eigentlich klar, was daraufhin folgte.
War wirklich keine angenehme Zeit. Es gab mehrere Auseinandersetzungen.
Aber da sich unser ganzes damaliges Leben in der Siedlung abspielte, musste ich mich dem stellen – denn man lief sich ständig über den Weg. Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich keine ruhige Minute mehr gehabt. Natürlich hatte ich Angst, sehr große sogar.
Aber zeigen konnte bzw. durfte ich sie nicht. Ich perfektionierte in dieser Zeit mein Pokerface, bis heute schaffe ich es, meine wahren Gefühlsregungen ganz weit hinten, irgendwo in meinem Kopf zu verstecken, und etwas völlig anders zur Schau zu stellen.
So wie damals, als ich vor Angst fast starr war, als wieder mal ein Nachmittagsunterricht zu Ende war.
Denn ich wusste, dass der Heimweg von der Schule auch diesmal nicht konfliktfrei ablaufen würde.
Die Cliquen-Mädels machten schließlich eine sehr großen Bogen um mich. Ich hatte meine Ruhe, und bedachte alle mit meinem scheinbar angeborenen „bösen Blick“.
Ich hatte mir Respekt verschafft – aber die Angst blieb eigentlich immer.

Simmering, 24.04.2008, Enkplatz:
Vor dem Eisgeschäft, eine Gruppe Jugendlicher, ca. 17-20 Jahre, kurz geschorene Haare, Bomberjacken, tlw. Springerstiefel + 2 x Dobermann und 1 x Rottweiler (riesige Viecher an der kurzen Leine, alle mit Beißkorb).
Des Weges kommt ein junger Mann ebenfalls mit Hund. Er sieht die Gruppe, nimmt sein Tier an die Leine und wechselt auf die andere Straßenseite.
Die Bomberjackentypen beobachten ihn – und positionieren sich.
Stellen sich nebeneinander entlang des Gehsteigs auf, nehmen Ihren Hunden die Beißkörbe ab, und schreien zur anderen Straßenseite rüber.
Der junge Mann lässt sich nicht beeindrucken und geht weiter …


Meine Angst ist nach wie vor da.
Wenn ich Berichte wie oben in der Zeitung lese, wenn ich Situationen wie geschildert beobachte – schnürt es mir die Kehle zu.

Ich frage mich, was passiert wäre wenn der Mann mit dem Hund auf die Beschimpfungen reagiert hätte.
Vor allem – was hätte ich getan? Wie hätte ich helfen können?

Als auf Gottfried Natschläger eingeschlagen wurde - stand er da alleine auf der Straße?

Nachdenklich Sonntagsgrüße übermittelt das Frl.K.



"Wer schweigt, scheint zuzustimmen"
- Bonifatius VIII.-

ziervideo des tages:

(die toten hosen - auswärtsspiel)

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Selbst ein Kind eines Plattenbaus - der wohlbekannte Rennbahnweg - kann ich deine Schilderungen gut nachvollziehen.

Aber wir müssen wohl - leider - der Realität ins Auge blicken: Wir können uns hier noch glücklich schätzen, im Vergleich zu vielen anderen Großstädten. Das eine ist der enge Raum, auf dem Menschen miteinder leben müssen. Das allein macht schon aggressiv, weil der eigene, persönliche Bereich, den jeder Mensch für sich in Anspruch nehmen möchte, nicht eingehalten werden kann - ich sage nur "Auto fahren".

Aber wenn dann noch soziale Unzufriedenheit dazukommt, meist arbeitslose Jugendliche den Frust über ihr Leben auf Unschuldige ablassen, dann wird es ganz schlimm.

Bei den Unruhen in den Pariser Vororten Ende 2005 brannten unglaubliche 9000 Autos!

Hoffen wir, dass wir sowas nie bei uns erleben müssen!

Anonym hat gesagt…

kann mich deinen sorgen nur anschließen - speziell in richtung dieses "geburtstagsgrußes" - mein schlagzeugersohn wurde letzten von solchen rechten attackiert - nur die dazugerufene polizei hat schlimmes verhindert - der grund, man sieht im die linke punkige einstellung an ...

und das jetzt nicht irgendwo im 11. 10. oder sonst wo in der großen stadt sonder tiefste provinz am neusiedler see...

da hilft nur, reden,reden,reden,aufzeigen, nicht wegschauen ....

lg
die oide hex

Frl. K. hat gesagt…

ja lieber herr k., hoffen wir mal, dass wir situationen wie in paris niemals hier erleben müssen.
tja, und rennbahnweg und hansson siedlung - da gibts ganz sicher gewisse parallelen.
aber wir habens geschafft (quasi)
;o)
liebe grüße!

Frl. K. hat gesagt…

liebe hexe,

ja, reden und nicht wegschauen.
das ist schon ganz richtig, und da bin ich auch ganz bei dir.
stellt sich halt noch immer die frage:
wie soll man sich verhalten bei 4-5 bomberjacken + 3 scharfen hunden, die einen einzelnen anderen anpöbeln?
zum glück ist ja in diesem fall nichts weiter passiert. aber ....
glg
das frl.k.