Donnerstag, 12. Juni 2008

Tagesbericht 12.06.2008

Die Pepi Tant’

Die Pepi Tant’ war meine Großtante.
Die Tante meines Vaters
Die Schwägerin meiner Oma
Die Frau des Bruders meines Opas

Heute würde man die Pepi Tant’ wohl als „Emanze“ bezeichnen.
Sie war mit meinem Großonkel 2x verheiratet, und hat sich 2x wieder von ihm scheiden lassen. Allerdings hat sie sich auch später immer um ihn gekümmert, denn der Schani (ihr Ex Mann) war dem Alkohol nicht abgeneigt. Und außerdem die letzten Jahre auf den Rollstuhl angewiesen. Sie hat ihre drei Kinder quasi alleine aufgezogen und hat immer gearbeitet. Früher mal als Hausmeisterin, später in einer Fabrik, die Christbaumkugeln hergestellt hat. Das hat sie dann auch in Heimarbeit gemacht.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Denn wenn ich die Pepi Tant’ besucht hab, war oft der ganze Küchentisch voller unbemalter Glaskugeln, Flitter, Perlen und Zierborten.
Einmal durfte ich ihr dabei sogar helfen. Sie hat mir eine ihrer Kleiderschürzen angezogen, und ich habe mit ihr gemeinsam Christbaumkugeln verschönert. Ich denke mal, dass sie wahrscheinlich auch noch Monate später überall Flitterflankerln in ihrer Küche vorgefunden hat, denn so gut wie sie konnte ich das natürlich nicht.

Meine Oma und die Pepi Tant’ hatten sehr lange Zeit ein sehr gutes Verhältnis, noch lange danach, als sich „die Peperl“ mit dem Rest der Familie schon längst zerstritten hatte. Denn die Pepi Tant’ galt als zänkisch und rechthaberisch, eine die immer austeilt, aber nicht gut einstecken kann. Ich weiß es nicht. Ich kann über die Pepi Tant’ nur Positives berichten. Sie hat alles mögliche gesammelt, u.a. Briefmarken. Sie war davon überzeugt, dass diese irgendwann einmal sehr viel Wert sein werden. Oft hat sie mir ungestempelte Sondermarken, die sie doppelt hatte geschenkt. Sie war eine hervorragende Handarbeiterin, es gab nichts, was sie in der Richtung nicht beherrschte. Meine Mama hat heute noch sehr viele ihrer kunstvoll hergestellten Häkelspitzendeckerl zu Hause.
Jahre später hat sich dann auch meine Oma mit ihr zerstritten, und so ist letztlich auch mein Kontakt zu ihr völlig eingeschlafen.

Meine Oma erzählte mir mal, dass die Pepi Tant’ seinerzeit hat ihre „Beziehungen spielen lassen“. Damals, als mein Großvater in Mauthausen war. Was genau passiert ist, und was die Pepi Tant’ damals gemacht hat, dass habe ich leider niemals erfahren.

Wenn die Pepi Tant’ ein Tier gewesen wäre, dann wohl eine Katze. Denn Katzen sagt man ja bekanntlich nach, dass sie neun Leben hätten. Die Pepi Tant’ hatte so ziemlich alle Krankheiten, die man haben und bekommen kann. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie viele Krankenhausaufenthalte diese Frau absolvierte.
„Also diesmal da’packt’s sie’s aber nicht mehr die Peperl, schlecht schaut’s aus. Diesmal werden sa’s aus dem Spital sicher auf der Bahr’ raustragen“
Doch die Pepi Tant’ hat dem Sensenmann immer wieder ein Schnippchen geschlagen, die hat sich immer wieder darappelt.
„Die Peperl, die wird uns alle noch überleben!“

Als meine Oma vor 6 Jahren starb, war auf dem Begräbnis eine kleine, alte, gebückte Frau die zuerst keiner so richtig erkannte. Erst als ihr Sohn, sie zu einem Sessel begleitete wurde uns klar, wer sie ist. Die Pepi Tant’, die meine Oma auf ihren letzen Weg begleitete.
Als sie meinen Vater sah, kramte sie plötzlich ganz hektisch in ihrer Tasche, steckte ihm ein Packerl Manner Zitronenschnitten zu und raunte „Do host, Bua. Die host jo ois Kind immer so gern g’essn, des was i no“.

Bis zu Ihrem 90zigsten Lebensjahr hat sie in ihrer Gemeindebauwohnung in Favoriten gewohnt. Sie war zwar auf Hilfe angewiesen, hat dort aber alleine gelebt.
Dann hatte sie einen Schlaganfall und musste in ein Pflegeheim, und erlitt dort einen weiteren Schlaganfall – und natürlich überlebte sie auch den. Gehen konnte sie zwar nicht mehr, und hin und wieder war sie auch ein bisschen verwirrt, aber im Großen und Ganzen ….
Vor ca. 2 Wochen wollte sie ihr Sohn im Pflegeheim besuchen. Aus diesem Grund wollte das Pflegepersonal die Pepi Tant’ von ihrem Bett per Krankenbettlift in ihren Rollstuhl setzen.
Was ganz genau passiert ist weiß ich nicht, es gab jedenfalls technische Probleme, der Lift blieb irgendwie stecken, die Peperl stürzte, schlug mit dem Kopf auf – und war tot.

Wäre das alles nicht so tragisch, müsste man fast lachen.
Diese Frau hat 2 Weltkriege überlebt, sämtliche Krankheiten überstanden – und mit 95 Jahren stirbt sie aufgrund eines Unfalls, der durch technisches Versagen hervorgerufen wird.
Es ist fast so, als hätt’ sich der Herrgott, für sie, die scheinbar nicht umzubringen war, was ganz besonderes und ausgefallenes ausgedacht.

In unserer Familie gab es mal drei „Pepis“
Den Peperl – meinen Vater (den gibts zum Glück noch)
Den Pepsch - meinen Opa
Und DIE Peperl – eben die Pepi Tant’

Liebe Pepi Tant’, wo immer Du auch grad bist, ich hoffe es geht Dir gut.
Lass mir den Pepsch und das Reserl lieb grüßen! Und natürlich auch die Uschi.
Und all die anderen.
Ich hab noch immer alle Deine Briefmarken, vielleicht sind die heute wirklich was wert?
Und das Foto, das Du damals von mir gemacht hast, als ich mit Dir Christbaumkugeln bemalt habe, das hab' ich auch noch.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

stille grüße an die pepi tant, sie ist mir durch deine geschichte unbekannterweise gleich sehr symphatisch geworden

lg
rosa